
Leitidee des Verfassers
„Der Brüder-Grimm-Platz ist einer der ikonischen Stadtplätze Kassels. Seine Besonderheit liegt in der stadträumlichen Gegebenheit als Gelenkplatz vom Weltkulturerbe des Bergparks Wilhelmshöhe kommend eine Eingangssituation in die Innenstadt zu schaffen. Im vorgefundenen Zustand wird der Platz dieser besonderen Raumkonfiguration und Rolle in der Stadtmorphologie Kassels nicht gerecht. Der Blick auf die Geschichte dieses Ortes zeigt: Das Rondell muss im Raum wieder klar erkennbar werden! [...] Die historische pentagonale Platzfläche wird herausgestellt, darin liegt eine zentrale Rasenskulptur als ruhiger Pol. Der Brüder Grimm Platz wird so ein starkes, selbstbewusstes und grünes Vis-á-vis zum Königsplatz. Die Stärke der städtebaulichen Setzung liegt in der Konsequenz ihrer Deutlichkeit. Diese Deutlichkeit erlangt das Rondell über seine Skulpturalität und seiner größtmöglichen Einfachheit und Klarheit. Das Rasenrondell wird als Kreisgeometrie ausgeformt und über eine elegante, einheitliche Kante gefasst. Räumlich wird die skulpturale Wirkung dadurch verstärkt, dass das Rondell eine Lichtung im es umgebenden urbanen Baumhain darstellt.“
Beurteilung des Preisgerichts
“Größtmögliche Einfachheit und Klarheit” ist das Leitmotiv der Verfasser dieses Entwurfes. Dies soll durch die Einschreibung einer Leere in das Pentagon des Brüder-Grimm-Platzes erreicht werden. Die Leere besteht aus einer geneigten runden Rasenfläche, die sich bergauf in das Gelände drückt und bergab heraushebt. Die Randflächen zwischen Kreis und Pentagon werden mit Kassel - typischem Basalt gepflastert. Hier wird alles angeboten und angeordnet, was ein Platz braucht, und was die Bedienung der angrenzenden Gebäude erfordert: Baumbepflanzung, Sitzgelegenheiten, Denkmäler, Anlieferung etc.. Die topographischen Verschneidungen des Kreises in die Fläche werden mit Stufenanlagen aus dem Material des Platzrandes elegant gefasst. Die Rasenfläche soll möglichst leer bleiben und temporären Aktionen wie auch Installationen der documenta zur Verfügung stehen. Soweit ist das Konzept tatsächlich „einfach und klar“. Das Preisgericht diskutiert lebhaft, mit Sympathie, aber auch kontrovers diesen Leitgedanken und das radikale gestalterische Konzept, das sich formal explizit auf die historische Platzfolge der Altstadt bezieht und die Gestaltung der 1960er Jahre grundsätzlich verlässt. Viele Bestandsbäume fallen daher weg.
Bei näherer Betrachtung kommt jedoch Kritik auf. Rücken die Bäume, die die umgebenden Aufenthaltsflächen angenehm verschatten, nicht den Fassaden der Museen zu sehr auf den Leib? Wird die Anbindung an den Fürstengarten nach Süden zu wenig thematisiert? Wird die Leere der Wiese nicht de facto zu sehr vom Verkehr der Wilhelmshöher Allee dominiert? Der vorgeschlagene Belag mit grünem Asphalt kann dies nicht beheben und der Materialvorschlag wird deutliche kritisiert. Das sind alles Fragen und Themen, die offen bleiben.
Ein zusätzlicher grundsätzlicher Einwand gegen den Entwurf ergibt sich aus verkehrlicher Sicht: Das Abhängen der Weinbergstraße und der Friedrichstraße verhindert die Erreichbarkeit des Krankenhauses und negiert somit Anforderungen, die für das Funktionieren des Stadtraums unerlässlich zu erfüllen sind. Dieser Entwurf verlangt aber formal, dass der leere Kreis sauber ins Pentagon eingelegt wird und dessen Randflächen wiederum prinzipiell bis an die Fassaden seiner Ränder gehen: Diese Grundidee wird durch die realen Nutzungen und verkehrlichen Anforderung deutlich geschwächt.
Die Frage bleibt, ob die komplexen Rahmenbedingungen dieses Platzgefüges mit so großer Einfachheit tatsächlich beantwortet werden können. In vielen Details verbleibt dieser Entwurf in der Vorstellung des Grundsätzlichen.